Der ideale Aufbaugegner

Wie immer spielt Bayern München bei Schalke 04 aufreizend schlecht, verliert in einer hektischen Partie pflichtschuldigst mit 0:2 und schürt leichten Optimismus beim geschmähten Heynckes-Team

auf Schalke HOLGER PAULER

Das gab es lange nicht mehr auf Schalke: kein Ärger, keine Pfiffe, zumindest nicht gegen die eigene Mannschaft. Stattdessen lauter glückliche, entspannte, wenn auch keinesfalls euphorische Gesichter. Die Zuschauerreaktionen waren für Schalker Verhältnisse eher kühl und reserviert. Kein Wunder! Es ja war nicht irgendein hart umkämpftes, enges Bundesligaspiel gegen einen gleichwertigen Gegner, welches die Schalker soeben mit zwei zu null für sich entscheiden konnten; der Gegner hieß diesmal „nur“ Bayern München. Und die Bayern taten das, was sie auf Schalke immer tun. Sie spielten schlecht und ließen die Punkte im Revier – fast ohne Gegenwehr.

Nach Wochen der Demütigungen mit dem Höhepunkt der 3:7-Pokalniederlage beim SC Freiburg kam der Aufbaugegner aus München gerade recht. „Gegen Bayern ist es immer einfacher, da ist jeder hoch motiviert“, sagte Frank Rost. Der Sieg der Schalker war nie wirklich in Gefahr. Auch nicht, als die Schalker Defensive den Bayernangreifern den Ball vor die Füße legte; diese wussten nichts damit anzufangen.

Für den Sieg reichten drei Aktionen des überragenden Niels Oude Kamphuis. Er holte den Elfmeter zur Führung heraus – indem er bei Thomas Linke einfädelte. Er provozierte im eigenen Sechzehner erneut Thomas Linke, so dass dieser –jetzt völlig fertig – sich zu einem Ellbogencheck und somit zur vorentscheidenden roten Karte hinreißen ließ. Und er erzielte das zweite Tor, nach Vorlage des sehr guten Mike Hanke. Nach überstandener Verletzung war es für Oude Kamphuis das zweite Saisonspiel überhaupt. Mit Sicherheit wäre er in jedem anderen Spiel die Hauptfigur, der große Protagonist gewesen. Da der Gegner aber nur Bayern München hieß, musste seine Leistung leider hinten anstehen.

Der Rekordmeister trat in Gelsenkirchen selbstgefällig auf. Arrogant in der Spieleröffnung und überhart in den Zweikämpfen. Emotionen beschränkten sich auf das Spiel ohne Ball. Oliver Kahn rannte über den halben Platz, um Rudi Assauer seine Meinung zu sagen. Uli Hoeneß ließ sich auf Diskussionen mit dem Publikum ein, und Co-Trainer Michael Henke bearbeitete abwechselnd Schieds- und Linienrichter. Die anfangs zehn, nach Linkes Platzverweis nur noch neun Feldspieler mochten dem auf dem Platz nichts Adäquates entgegensetzen. „Wir haben nicht alles aus uns rausgeholt, was möglich ist“, sagte Oliver Kahn. Alibierklärungen, wie sie angesichts des umstrittenen Elfmeter zu hören waren, brächten nichts. Eine einzige Torchance gab es – in der ersten Halbzeit durch Roque Santa Cruz. Roy Makaay zeigte, dass das Spiel ohne Torschuss nicht zu seinen Stärken zählt. Die wenigen Aktionen liefen an ihm vorbei. Unterstützung gab es allerdings kaum. Auch nicht von Michael Ballack, der sich in zahllosen Zweikämpfen verlor.

„Wir sind nur Mittelmaß. Ich habe Angst, dass wir den Anschluss ganz verlieren“, kommentierte Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld die blutleere Leistung seines Teams. „Wir müssen als Mannschaft mehr zusammenrücken“, beschwört Jens Jeremies den Teamgeist. Angesichts der Konkurrenz aus Bremen, Stuttgart und Leverkusen, die auch spielerisch überzeugend davon eilt, scheinen die Bayern ihr Minimalziel – die Champions-League-Qualifikation – zumindest in der Bundesliga bereits jetzt zu verspielen. Auf einen Erfolg im Landesmeisterpokal zu bauen, wäre zwar nicht wirklich clever, scheint momentan aber die einfachere Variante, um in der kommenden Saison einer Teilnahme im Uefa-Cup der Verlierer aus dem Wege zu gehen. Die Spiele gegen Olympique Lyon und Borussia Dortmund sind nun richtungsweisend – in beiden Bewerben.

Immerhin haben es die Bayern geschafft, den Schalkern etwas Luft nach unten zu verschaffen. Es ist wieder Ruhe eingekehrt. „Gegen Bayern zu gewinnen gibt immer einen Extra-Impuls“, hofft Niels Oude Kamphuis vor der schweren Aufgabe in Leverkusen. Das Saisonziel jetzt wieder Richtung Uefa-Cup zu korrigieren, wäre aber vermessen. Die letzten Wochen haben das gezeigt. Dennoch kehrte der Optimismus nach nur einem erfolgreichen Spiel schnell zurück: „Heute hat meine Mannschaft das beste Saisonspiel gemacht“, sagte Jupp Heynckes hinterher, und auch Ebbe Sand gab sich zuversichtlich: „Es war ein großer Schritt in die richtige Richtung.“ Dabei sollten beide aber nicht vergessen, gegen wen sie gespielt haben.

Schalke 04: Rost - Hajto, Waldoch, Matellan, Kobiaschwili - Pinto (71. Trojan), Poulsen (24. Vermant), Oude Kamphuis, Asamoah - Sand, Hanke (84. Glieder)Bayern München: Kahn - Salihamidzic, Kovac, Linke, Lizarazu - Deisler (38. Jeremies), Demichelis, Ballack, Ze Roberto (71. Scholl) - Makaay, Santa Cruz (69. Pizarro)Zuschauer: 61.267; Tore: 1:0 Hajto (16./Foulelfmeter), 2:0 Oude Kamphuis (79.)Rote Karte: Linke (32./Tätlichkeit)